Faire Saisonarbeit in Europa

Gleiches Recht für gleiche Arbeit am gleichen Ort

 

Die Europäische Saisonarbeiter-Richtlinie

Mit der Verabschiedung der Europäischen Saisonarbeiter-Richtlinie durch das Europäische Parlament ist der Arbeitsmarkt der Landwirtschaftlichen Saisonarbeit neu geordnet worden. Die Steuerungsgruppe des Projektes hat sich intensiv mit den Auswirkungen der neuen Richtlinie beschäftigt und schlägt als Zwischenschritt des Projektes den Beteiligten und Interessierten vor:

Gegenstand der Richtlinie

Die Richtlinie erfasst direkte Arbeitsverhältnisse zwischen Saisonarbeitern und Arbeitgebern.

Für wen gilt die Richtlinie?

Die Richtlinie gilt für Arbeitnehmer mit Wohnsitz in einem Drittstaat, die Interesse an einer Saisontätigkeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben und für Arbeitnehmer, die einen Vertrag mit einem Arbeitgeber in der EU haben oder die ein Arbeitsangebot durch einen Arbeitgeber in der EU haben.

Für wen gilt die Richtlinie nicht?

Die Richtlinie gilt nicht für die Mitgliedstaaten Irland, Großbritannien und Dänemark; gilt nicht für Arbeitnehmer, die von einem Unternehmen mit Sitz in der EU entsandt werden; gilt nicht für Arbeitnehmer, die sich illegal in der EU aufhalten.

Wieviel Saisonarbeiter sollen wo arbeiten?

Die Mitgliedstaaten können die Anzahl der Saisonarbeiter festlegen, die aus Drittstaaten einreisen sollen. Sie können Sektoren und Tätigkeiten innerhalb dieser Sektoren benennen, in denen Saisonarbeit gemäß dieser Richtlinie erbracht werden.

Die Sozialpartner können auf Basis einer Analyse des sektoralen Arbeitsmarktes dazu beitragen, eine sinnvolle Anzahl von Saisonarbeitern festzulegen, die unter diese Richtlinie fallen. Diese Vorschläge können auch die Öffnung des Arbeitsmarktes für Drittstaaten-Saisonarbeiter ausschließen.

Sie sollen die Mitgliedstaaten bei der Identifizierung von Sektoren beraten, sollen den Mitgliedstaaten Vorschläge für Tätigkeiten machen, die innerhalb der identifizierten Sektoren unter die Saisontätigkeiten fallen, sollen den Mitgliedstaaten Zeiträume und Mindest- und Höchstdauer dieser Saisontätigkeiten vorschlagen.

Zur Rolle von Arbeitsvermittlern und Leiharbeitsfirmen

Wenn durch nationales Recht eine Zulassung auch über Arbeitsvermittler oder Leiharbeitsfirmen erfolgen kann, fallen ebenfalls unter diese Richtlinie. Hier könnten die Sozialpartner Regeln für die Anwendung der Richtlinie für Arbeitsvermittler und Leiharbeitsunternehmen vorschlagen oder einfordern.

Besserstellung bestimmter Saisonarbeiter (z.B. Flüchtlinge …)

Wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist und dem in Artikel 10 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsatz der Nichtdiskriminierung entspricht, so dürfen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der fakultativen Bestimmungen dieser Richtlinie die Staatsangehörigen bestimmter Drittstaaten besser stellen als die Staatsangehörigen anderer Drittstaaten.

Hier können die Sozialpartner die Bevorzugung bestimmter Drittstaatenangehöriger verlangen, z.B. aus historischen (z.B. ehemalige Kolonien), regionalen (z.B. Förderung der Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten) oder aktuellen Gegebenheiten (z.B. Kriegsflüchtlinge).

Arbeitsvertrag und Einreise

Die Einreise soll auf Grundlage eines gültigen Arbeitsvertrages oder eines verbindlichen Beschäftigungsangebotes, in dem die wesentlichen Punkte des Vertrages oder des Beschäftigungsverhältnisses genannt sind, erfolgen.

Hier liegt eine besondere Verantwortung der Gewerkschaften: dieser Artikel sollte besonders stark durch die Sozialpartner und zuständige Behörden überprüft werden. Missbrauch oder die Nichtbeachtung dieses Artikels sollte frühzeitig kommuniziert werden.

Vorrang für heimische Arbeitnehmer

Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, zu prüfen, ob eine Stelle nicht mit einem auf dem heimischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer besetzt werden kann.

Hier liegt eine besondere Verantwortung der Gewerkschaften: die Gewerkschaften (eventuell gemeinsam mit den Arbeitgebern) sollten die Anforderungen und Realitäten des Arbeitsmarktes betrachten und nicht allein den Arbeitsmarktverwaltungen überlassen. Hier kann einem Missbrauch der Richtlinie vorgebeugt werden durch frühzeitige Hinweise auf die Entwicklung auf den heimischen Arbeitsmärkten.

EFFAT könnte nach Aufforderung durch eine beteiligte Gewerkschaft das Netzwerk der Gewerkschaften innerhalb der Europäischen Union nutzen, um Angebote durch EU-Saisonarbeiter bekanntzumachen.

Eine Behörde für alle Fragen

Der Mitgliedstaat soll eine zuständige Behörde benennen, unbeschadet der Zuständigkeit anderer Behörden und gegebenenfalls der Sozialpartner.

Die Sozialpartner sollten darauf achten, dass EINE Behörde zuständig ist und den Kontakt zu dieser Behörde ausbauen.

Aufenthaltsdauer, Vertragsverlängerung und Wechsel des Arbeitgebers

Die Dauer des Aufenthaltes soll durch die Mitgliedstaaten festgelegt und auf einen Zeitraum von fünf bis neun Monaten je Kalenderjahr begrenzt werden.

Im Rahmen der Aufenthaltsdauer kann eine Vertragsverlängerung oder ein Wechsel des Arbeitgebers möglich sein, sofern die Kriterien für die Zulassung weiterhin erfüllt sind.

Die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln, bedeutet nicht, dass ein Saisonarbeiter im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nach Arbeit suchen darf, wenn er arbeitslos ist.

Hier sollten die Sozialpartner frühzeitig und vorausschauend die Zeiten definieren, in der Saisonarbeit für den jeweiligen Arbeitnehmer anfällt.

Die Gewerkschaften sollten die Drittstaatenarbeitnehmer darüber informieren, dass es unter Umständen möglich ist, einen schlechten Arbeitgeber zu verlassen.

Wenn ein Drittstaaten-Saisonar­beiter einen Arbeitgeber verlassen hat (und damit arbeitslos im Sinne dieser Richtlinie ist), darf er nicht nach Arbeit suchen: hier ist eine direkte Unterstützung durch die Gewerkschaften vor Ort notwendig.

Arbeitsmarktprüfung

Bei der Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthalts oder die Erneuerung der Genehmigung sollen die Mitgliedstaaten die Situation am Arbeitsmarkt berücksichtigen können.

Hier sollten die sektoralen Sozialpartner frühzeitig eingebunden werden, um gemeinsam mit den Institutionen des Arbeitsmarktes eine Bedarfsanalyse aufzustellen.

Sanktionen gegen Arbeitgeber und Durchsetzung der Rechte der Saisonarbeiter

Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Arbeitgeber vorsehen, die gegen die in dieser Richtlinie festgelegten Pflichten verstoßen. Diese Sanktionen sollten gegebenenfalls die Haftung des Arbeitgebers für die Zahlung von Entschädigungen an Saisonarbeitnehmer umfassen. Es sollten die notwendigen Verfahren eingeführt werden, damit Saisonarbeitnehmer die Entschädigungen, auf die sie Anspruch haben, auch dann erhalten können, wenn sie sich nicht mehr im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats befinden.

Mit den Mitgliedstaaten sind Regelungen abzusprechen, wie Informationen über Arbeitgeber an die zuständige Behörde transportiert werden können.

Die Gewerkschaften sollten mit den Arbeitgebern entsprechende Verfahren abstimmen und den Regierungen vorschlagen.

Der Rechtsschutz für die Drittstaaten-Saisonarbeiter sollte entsprechend erweitert werden.

Unterkünfte und Mietzahlungen

Alle Saisonarbeitnehmer sollten über eine Unterkunft verfügen, die einen angemessenen Lebensstandard gewährleistet. Die zuständige Behörde sollte über jeden Wechsel der Unterkunft unterrichtet werden. Wird die Unterkunft durch oder über den Arbeitgeber vermittelt, so sollte die Miete im Vergleich zu der Nettovergütung des Saisonarbeitnehmers und im Vergleich zu der Qualität der Unterkunft nicht übermäßig hoch sein, die Miete sollte nicht automatisch vom Lohn des Saisonarbeitnehmers abgezogen werden; der Arbeitgeber sollte dem Saisonarbeitnehmer einen Mietvertrag oder ein gleichwertiges Schriftstück zur Verfügung stellen, in dem die Mietbedingungen für die Unterkunft festgehalten sind, und der Arbeitgeber sollte sicherstellen, dass die Unterkunft den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Gesundheits- und Sicherheitsnormen entspricht.

Hierdurch entstehen den Gewerkschaften umfassende Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten.

Durchsetzung der Gleichbehandlung

Für einen wirksamen Schutz ihrer Rechte – auch im Bereich der sozialen Sicherheit –, muss die Einhaltung der Vorschriften regelmäßig überprüft werden und muss die Achtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaates sind, unter Befolgung des Konzepts des gleichen Lohns für die gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz uneingeschränkt garantiert werden, indem Tarifverträge und andere Vereinbarungen über die Arbeitsbedingungen, die gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten auf allen Ebenen geschlossen wurden oder gesetzlich vorgesehen sind, zu denselben Bedingungen, wie sie für Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats gelten, zur Anwendung gelangen.

Kontrollen und Inspektionen

Für eine ordnungsgemäße Durchsetzung dieser Richtlinie, insbesondere der Bestimmungen hinsichtlich der Rechte, Arbeitsbedingungen und Unterkunft, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass geeignete Verfahren für die Kontrolle der Arbeitgeber bestehen und dass in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten gegebenenfalls wirksame und angemessene Inspektionen durchgeführt werden. Die Auswahl der zu kontrollierenden Arbeitgeber sollte überwiegend auf der Grundlage einer von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführten Risikobewertung erfolgen.

Auf eine praxistaugliche Durchführung dieser Vorschrift sollte durch die Gewerkschaften geachtet werden.

Rechtsschutz für Saisonarbeiter

Die Mitgliedstaaten sollen wirksame Verfahren einführen, durch die Saisonarbeitnehmer unmittelbar oder über einschlägige Dritte, wie Gewerkschaften oder andere Vereinigungen, Rechtsmittel einlegen und Beschwerde einreichen können. Dies wird für Situationen als notwendig erachtet, in denen Saisonarbeitnehmern das Bestehen von Durchsetzungsmechanismen nicht bekannt ist oder in denen sie zögern, diese in ihrem eigenen Namen zu nutzen, weil sie mögliche Konsequenzen befürchten. Saisonarbeitnehmer sollten Zugang zu angemessenem Rechtsschutz haben, damit sie nicht Repressalien ausgesetzt werden, wenn sie eine Beschwerde eingereicht haben.

Hier liegt auch eine Zuständigkeit der EFFAT, die dies zum Gegenstand der Verhandlungen im Europäischen Sozialen Dialog (SSDC AGRI) machen sollte und mit den europäischen Institutionen Vorschläge zur Lösung erarbeiten will.